Wehrmachtsabnahmestempel – eine unendliche Geschichte
In den IWÖ-Nachrichten habe ich bereits einige Male über die Wehrmachtsabnahmestempel und die Haltung der österreichischen Staatsanwaltschaften und Gerichte dazu berichtet.
Zur Erinnerung: Die Geschichte ist lang und unerfreulich. Aufgrund des Ankaufs eines Holsters für die Pistole P.38 mit dem üblichen Wehrmachtsabnahmestempel (WaA) wurde bei einem behördlicherseits anerkannten Waffensammler eine Hausdurchsuchung durchgeführt und ein Strafverfahren nach dem Verbotsgesetz geführt. Der Strafrahmen des vorgeworfenen Delikts (Besitz von „Nazi-Devotionalien = Wehrmachtsabnahmestempel) beträgt ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. Dies bedeutet, eine Geldstrafe ist nicht vorgesehen, die Minimalstrafe beträgt ein Jahr, die Maximalstrafe zehn Jahre. Das Strafverfahren wird vor einem Geschworenengericht geführt. Kommt es beispielsweise für einen Beamten zu einer Verurteilung nach dem Verbotsgesetz ist der Beamte im Regelfall sofort seines Amtes und seiner Pensionsansprüche verlustig. Selbstverständlich geht auch die waffenrechtliche Verläßlichkeit verloren und es wird oftmals von den Waffenbehörden ein Waffenverbot ausgesprochen.
Im gegenständlichen Fall, über den bereits in den IWÖ-Nachrichten mehrfach berichtet wurde, hatte zwar das Oberlandesgericht Graz die durchgeführte Hausdurchsuchung (nachträglich) als unzulässig erklärt, die Vertreterin der Republik Österreich, die Finanzprokuratur, „ruderte“ aber so weit als möglich zurück und erklärte die Anordnung der Hausdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft und die Bewilligung durch das Landesgericht als „vertretbar“. Damit versuchte man die Türe nicht zu schließen, um derartige Hausdurchsuchungen in Zukunft weiterhin ohne weiters durchführen zu können.
Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Landesgericht bezeichneten den Wehrmachtsabnahmestempel als „Nazi-Devotionalie“ und stellten ihn daher auf eine Stufe wie Hitlerbüsten, Flaggen und Schleifen mit Hakenkreuz und dergleichen. Bei objektiver Betrachtungsweise ist dies natürlich Unsinn, der Wehrmachtsabnahmestempel sollte niemals den Nationalsozialismus oder NS-Organisationen oder NS-Gedankengut verherrlichen oder positiv darstellen oder für derartiges werben. Der Wehrmachtsabnahmestempel war lediglich die Bestätigung der technischen Tauglichkeit, die Bestätigung der Übereinstimmung mit den technischen Anforderungen. Das Hakenkreuz des Wehrmachtsabnahmestempels ist bei Schußwaffen mit freiem Auge kaum zu sehen, es ist millimetergroß.
Da die Finanzprokuratur Hausdurchsuchungen bei Personen, die Waffen oder Zubehör mit Wehrmachtsabnahmestempel besitzen für vertretbar hält, wurde mit Hilfe der IWÖ Klage gegen die Republik Österreich eingebracht.
Im Verfahren verteidigte die Finanzprokuratur die Hausdurchsuchung weiterhin: „Auszuführen ist dazu, daß der Richter im Ermittlungsverfahren sich in seiner Entscheidung auf die Begründung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung bezog, die sich aus den Ermittlungsergebnissen herleitete. Konkret stand der Kläger gestützt auf die Darstellung des Sachverhalts in der Berichterstattung des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung im Verdacht, sich seit einem bislang nicht bekannten Zeitpunkt durch das Ansammeln von NS-Propagandamaterial [Wehrmachtsabnahmestempel!!] auf andere als die in den § 3a bis 3f Verbotsgesetz bezeichneten Weise in nationalsozialistischem Sinn betätigt zu haben. Er war demnach konkret verdächtigt, das Verbrechen nach § 3g Verbotsgesetz begangen zu haben. Der Tatverdacht gründete sich insbesondere darauf, daß vom Zollamt […] eine Postsendung mit NS-Bezug abgefangen wurde. Angesichts dessen konnte in durchaus vertretbarer Weise davon ausgegangen werden, daß sich in der durchsuchten Wohnung des Klägers Gegenstände mit einschlägigem nationalsozialistischem Bezug befinden würden. Angesichts des im § 3g Verbotsgesetz normierten Strafrahmens und des damit verbundenen besonderen Gewichts bzw. der Bedeutung der Verdachtslage erschien die Durchsuchung der Wohnung in zumindest vertretbarer Weise auch als verhältnismäßig und sinnvolle Ermittlungsmaßnahme.“ (Einspruch der Finanzprokuratur)
Versuchte die Finanzprokuratur die Handlungsweise der Staatsanwaltschaft und des Landesgerichtes schriftlich noch vehement zu verteidigen, kam es im Rahmen der mündlichen Verhandlung doch zu einem gewissen Einlenken: So schloß die Finanzprokuratur den Abschluß eines Vergleiches mit der zumindest teilweisen Bezahlung der Verfahrenskosten nicht mehr aus. Im Rahmen der Verhandlung wurde letztlich auch ein – erfreulicher – Vergleich geschlossen, die Republik Österreich übernahm einen Teil der Verfahrenskosten des Strafverfahrens, sodaß nicht mehr so leicht argumentiert werden kann, daß es sich beim Wehrmachtsabnahmestempel um eine Nazi-Devotionalie handelt.
So weit das doch letztlich erfreuliche Ergebnis des unmittelbaren Falles.
Wenn es auch unbestätigt ist, zwischenzeitlich soll es aber wiederum zur Beschlagnahme eines Gegenstandes mit einem Wehrmachtsabnahmestempel gekommen sein.
Nach einem Zeitungsbericht dürften die Beamten des Zolls auch angewiesen sein, Gegenstände mit Hakenkreuzen, und seien sie noch so klein, aufzuspüren. Nach einem Zeitungsbericht fanden beispielsweise Zollmitarbeiter bei einer detaillierten Überprüfung eines Paktes einen Dolch aus der NS-Zeit, auf dem ein Adler, der ein Hakenkreuz in einem Eichenblatt hält, abgebildet ist.
Dazu Finanzminister Magnus Brunner: „Dieser Fund unterstreicht einmal mehr die Bedeutung der Arbeit unserer Zollmitarbeiter. Mit den Warenumschlagskontrollen tragen sie maßgeblich zur Bekämpfung aller Formen von Extremismus bei. Objekte dieser Art [wie gesagt ein Dolch aus der NS-Zeit] repräsentieren das dunkelste Kapitel unserer Geschichte und sind keine Sammlerstücke, sondern Zeichen schwerster Menschheitsverbrechen.“
Die Barbareien des Nationalsozialismus, die Massenmorde, der Holocaust, um nur einige zu nennen, waren unvorstellbar groß. Aus diesem Grund ist es verständlich und richtig, daß in Österreich die Förderung dieses verbrecherischen Gedankengutes unterbunden werden soll. Dies bezieht sich u. a. auf Propagandamaterial, aber auch wirkliche NS-Devotionalien, die auch teilweise neu angefertigt werden. Wer sich ein Bierglas mit „Hitler-Konterfei“ ins Küchenkastl stellt und seine Gäste damit bewirtet, darf sich nicht wundern, wenn es entsprechende Maßnahmen gibt.
Warum ein Dolch aus der NS-Zeit kein Sammlerstück sein kann, sondern bloß das Zeichen schwerster Menschheitsverbrechen und somit nicht einmal im Rahmen einer Kontextuierung gesammelt werden kann, ist aber nicht verständlich. Dieses Unverständnis wird noch größer, wenn man sehen muß, wie auf Österreichs Straßen neuerdings Antisemitismus offen zur Schau getragen wird und selbst die Forderung der Auslöschung des Staates Israels und damit der Juden mehr oder minder ungestraft erhoben werden darf. Bei einem Millimeter großen Hakenkreuz in einem 80 Jahre alten technischen Abnahmestempel wird von der österreichischen Justiz mit größter Härte vorgegangen, der frenetische Jubel über Massenmorde und Entführungen, ja sogar die Forderung der Auslöschung des Staates Israel und damit der dort lebenden Juden hat dem gegenüber keine bis wenig Konsequenzen. Wer dies versteht, möge es mir erklären.
DI Mag. Andreas Rippel