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IWÖ – Interessengemeinschaft Liberales Waffenrecht in Österreich

Munitionsherstellung mit Tradition – Sellier & Bellot

Foto: © DI Mag. Andreas Rippel
Die Produktionsschritte einer Hülse für die Zentralfeuerpatrone

Ursprünglich war es eine österreichische Geschichte, deren Wurzeln aber nach Frankreich zurückreichen – Sellier & Bellot. Heute ist es ein internationaler Munitionshersteller mit Sitz in der Tschechischen Republik.

Die Geschichte des Unternehmens ist mit der Entwicklungsgeschichte der Zündhütchen und den Unternehmensgründern Pierre Sellier und Jean Bellot verbunden. Ca. um 1820 wurde mit der Serienfertigung von Zündhütchen in Frankreich, England, Preußen und Nordamerika begonnen. Bellot wird teilweise die Erfindung der Zündhütchen zugeschrieben, was jedoch wegen mehrerer, fast zeitgleicher, Entwicklungen umstritten ist. 1823 erhielt Bellot eine offizielle Herstellungsgenehmigung für Zündhütchen in Frankreich. Sein späterer Partner Sellier handelte zu diesem Zeitpunkt mit Zündhütchen und versuchte in diesem lukrativen Geschäftszweig den österreichischen Markt zu okkupieren. Eine erste Produktionsstätte entstand in einem ehemaligen Kloster in der Nähe von Prag.

Die anfänglichen Schwierigkeiten bei der Produktion wurden durch das Fachwissen von Bellot überwunden und so vereinbarten Sellier und Bellot eine Partnerschaft und die Gründung einer gemeinschaftlichen Firma in einem Vorort von Prag. Die Zündhütchen von Sellier & Bellot wurden von öffentlichen Stellen und von privaten Nutzern allgemein als großer Fortschritt angesehen. Besonders von öffentlicher Seite wurde die Firma massiv gefördert, weil es auch den Interessen des österreichischen Militärs entsprach.

Erst später, und zwar ab 1870 wurde auch mit der Produktion von Patronen begonnen und man trat später unter der Handelsmarke Sellier & Bellot auf.

Im ersten Weltkrieg wurde die Produktion massiv erweitert, um die benötigten Munitionsmengen liefern zu können. Während des zweiten Weltkriegs wurde die Produktion zur Belieferung der deutschen Streitkräfte weiter ausgebaut. Zum Jahresende 1944 wurden etwa 7.000 Arbeiter beschäftigt.

Nach dem zweiten Weltkrieg erfolgte eine Verstaatlichung des Unternehmens durch die Tschechoslowakei. Nach dem Abschütteln des kommunistischen Jochs wurde der Staatsbetrieb in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Derzeit ist Sellier & Bellot Mitglied der CBC – Gruppe, einem weltweit agierendem brasilianischen Rüstungskonzern.

Heute werden knapp 4 Millionen Patronen täglich ausgeliefert, das macht rund 1,3 Milliarden Schuß pro Jahr. Damit zählt S & B zu den großen Herstellern in Europa. Produziert wird insbesondere Munition für Kurzwaffen und Sturmgewehre. Im privaten Bereich wird auch das Segment der Jagdpatronen bedient, und zwar hauptsächlich die Büchsenmunition. „Schrot hat an Bedeutung verloren. Wir produzieren Schrotpatronen vor allem noch als Dienst am Kunden, verdienen kann man kaum noch etwas dabei.“, erklärt Josef Strmad, Verkaufsleiter von S & B. Erklärt wird auch das primäre Ziel von S & B, nämlich die Produktion von preiswerter, aber qualitativ hochwertiger Munition. „Wir von Sellier & Bellot sehen uns als „Early Follower“. Wir entwickeln selbst also kaum neue Produkte, sondern konzentrieren uns darauf, was der Markt wirklich will“ so Strmad. Durch diese Philosophie erklärt sich auch die Kaliberpalette, die gegenüber manchem Mitbewerber etwas kleiner ausfällt. Stolz wird aber auf die hohe Qualität der ausgelieferten Munition zu vertretbaren Preisen hingewiesen.

Bei einer Führung durch die Werkshallen sieht man Patronen über Patronen, und zwar in jedem Fertigungsstadium. Am Anfang stehen fingerhutgroße Näpfchen, die für die späteren Messinghülsen maschinell in Form gebracht werden. Auf der abgebildeten Schautafel von S & B sieht man die unterschiedlichen Stadien beginnend von dem genannten Napf (Cup). Die Hülsen werden in der Folge durch Umformung, das heißt Fließpressen in mehreren Arbeitsgängen aus dem Metallstück geformt. Der Hülsenboden ist härter als der Hülsenhals; dies wird insbesondere durch Härten bzw. Weichglühen und durch gezielte Umformungsprozesse erreicht.

Die Fertigungsstätte von S & B spiegelt gewissermaßen die Philosophie des Unternehmens wider: Die (in gutem Zustand befindlichen) Fertigungshallen erinnern eher an die Monarchie und die Zeit der Weltkriege, die verwendeten Maschinen zeigen demgegenüber den neuesten technischen Stand. Zurecht stolz ist man auf die Qualitätskontrolle, die Überprüfung der produzierten Patronen, die einen hohen technischen Aufwand erfordert.

Der Großteil der bei Sellier & Bellot derzeit produzierten Munition entfällt auf die Klaiber 9 mm Luger und 5,56 NATO respektive .223 Remington. Die geänderten weltpolitischen Bedingungen zeigen sich auch bei S & B: Der Anteil der für zivile Anwender produzierten Munition verschiebt sich zugunsten von Munition für militärische Anwender. Militärische Munition wird strikt von der Zivilmunition getrennt, die Anforderungen und Standards des Militärs sind andere als die der privaten Nutzer.

In großer Menge werden auch Kleinkaliberpatronen (.22 lr) produziert, wobei auch hier der neueste technische Stand verwirklicht ist. Die Produktion der Randfeuerpatronen geschieht in neuen Produktionshallen. Betrachtet man nur das Äußere dieser Hallen, fühlt man sich von der Monarchie zurück in die Jetztzeit versetzt.

Wenn man als Österreicher Sellier & Bellot heute sieht und an die Zeit der mit Tschechien gemeinsamen Geschichte denkt und dann auch an die Hirtenberger Patronenfabrik denkt, dann kann man wohl zu dem Schluß kommen, die Tschechen haben es richtig gemacht.
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Compliance Hinweis: Die Werksbesichtigung und der Aufenthalt erfolgten dankenswerterweise auf Einladung der Fa. GTML Global Trading Marketing Logistics GmbH

DI Mag. Andreas Rippel

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