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IWÖ – Interessengemeinschaft Liberales Waffenrecht in Österreich

Und immer wieder die Notwehr

Immer wieder kommt es zu Akten der gerechtfertigten Notwehr. Die Notwehr ist unter den gesetzlichen Voraussetzungen uneingeschränkt zulässig, aber selbstverständlich versuchen immer wieder Menschen, denen ein Strafverfahren droht oder die einem Strafverfahren ausgesetzt sind, sich mit dem Argument der Notwehr – obwohl sie gar nicht vorgelegen hat – zu rechtfertigen.

Aus diesen Gründen müssen die Gerichte oft schwierige Entscheidungen treffen: War es Notwehr, allenfalls Notwehrüberschreitung oder handelt es sich bei der Argumentation des Beschuldigten lediglich um den Versuch die Folgen des Handelns abzuwehren.

Bereiten schon herkömmliche Fälle der Notwehr immer wieder Schwierigkeiten in der Rechtsfindung, so gilt dies besonders für den Einsatz einer (Schuß-)waffe in einer Notwehrsituation. Kommt es sogar zu einer Verletzung des allfälligen Angreifers, werden sofort äußerst umfangreiche Ermittlungen eingeleitet.

Unter welchen Umständen ist es nun rechtmäßig Notwehr zu üben? Darf ich bei einer Notwehrhandlung eine Waffe gebrauchen?

Nach österreichischer Rechtslage ist die Verteidigung gegenüber einem Angreifer grundsätzlich zulässig, auch ist die Verteidigung mit einer Waffe, auch mit einer Schußwaffe, unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.

Geregelt ist die Selbstverteidigung im Strafgesetzbuch (StGB) und wird unter dem Begriff „Notwehr“ abgehandelt.

3 Abs 1 StGB lautet:

„Nicht rechtswidrig handelt, wer sich nur der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwehren. Die Handlung ist jedoch nicht gerechtfertigt, wenn es offensichtlich ist, daß dem Angegriffenen bloß ein geringer Nachteil droht und die Verteidigung, insbesondere wegen der Schwere der zur Abwehr nötigen Beeinträchtigung des Angreifers, unangemessen ist.“

Natürlich möchten sich viele Täter mit der Aussage, „ich habe nur in Notwehr gehandelt“, entschuldigen. Der österreichische Gesetzgeber hat aber eine klare und eindeutige gesetzliche Regelung geschaffen, was Notwehr ist und welche Handlungen ein Angegriffener tatsächlich setzen darf.

Wie bereits oben dargestellt kommt es durch diese Umstände aber oftmals zu schwierigen Entscheidungen durch die Gerichte.

Welche Folge hat die gesetzliche Regelung nun konkret? Versuchen wir die Merkmale der Notwehr im Einzelnen zu beleuchten:

Es muß ein gegenwärtiger oder unmittelbar drohender Angriff vorliegen, d.h. der Angriff muß im Gange sein (der Angreifer sticht bereits mit dem Messer zu), oder jedenfalls unmittelbar bevorstehend sein (der zuerst verbal drohende Angreifer zieht sein Messer).

Ist ein Angriff erst in der Zukunft zu erwarten, darf Notwehr (noch) nicht in Anspruch genommen werden. Gegenwärtig ist der Angriff andererseits so lange, als er dauert; wenn der Angriff abgeschlossen ist, ist Notwehr nicht mehr zulässig (der Angegriffene liegt verletzt am Boden, der Angreifer zieht sich aber zurück).

Darüber hinaus muß der Angriff rechtswidrig, d.h. verboten sein, beispielsweise ist eine Notwehr gegen einen Beamten in Ausübung einer Amts- oder Dienstpflicht unzulässig, selbst wenn die Amtshandlung gesetzwidrig war. Nur wenn die Amtshandlung von einem Beamten vorgenommen wird, der unzuständig ist oder der gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt, liegt keine rechtsmäßige Amtshandlung vor, sodaß dagegen erhobener Widerstand straflos ist (der Polizist schlägt und verletzt den bereits Festgenommenen um ein Geständnis zu erhalten).

Besonders wichtig ist, daß ein Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut vorliegen muß. Nicht alle Rechtsgüter sind nämlich notwehrfähig, sondern nur Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen. Insbesonders genießt die Ehre nicht Notwehrschutz; auch die Intimsphäre als solche stellt kein notwehrfähiges Rechtsgut dar, ebensowenig der eheliche Friede oder die Treue. Dies bedeutet, daß eine Notwehr nur dann zulässig ist, wenn der Körper als solches bedroht wird, die Freiheit entzogen wird oder das Vermögen (Geld und Geldwerte) bedroht wird. Eine Notwehr gegen einen Beleidiger, den Nebenbuhler etc. ist unzulässig!

Zu beachten ist weiters, daß der Angegriffene nur die notwendige Verteidigung anwenden darf. Notwendig ist jene Verteidigung, die zur Verfügung steht und die möglichst wenig für den Angreifer belastend ist, aber dennoch den Angriff in seiner konkreten Gestalt verläßlich, d.h. sofort und endgültig, abwehrt. Das Maß der Abwehr bestimmt sich daher nach der Art, der Wucht und der Intensität des abzuwehrenden Angriffs, nach der Gefährlichkeit des Angreifers und nach den zur Abwehr zur Verfügung stehenden Mitteln. Es kommt stets auf die Umstände des einzelnen Falles an. Beispielsweise bedient sich der notwendigen Verteidigung, wer händisch geführte Angriffe eines körperlich gleichwertigen Gegners mit der Hand abwehrt. Ein waffenlos ausgetragenes Handgemenge berechtigt auch denjenigen, der mit einer Niederlage rechnen muß und davor Angst empfindet nicht (sogleich) zur Anwendung von Mitteln, die eine schwere Verletzung des Gegners befürchten lassen. Jedoch kann bereits bei einem rücksichtslosen, dem Angegriffenen körperlich überlegenen wenngleich unbewaffneten Angreifer, die Verwendung einer Waffe gerechtfertigt sein; die Forderung, auf den Angreifer nur „dosiert“ mit einem Messer einzustechen (oder nur ins Knie zu schießen, etc.) wird von der Rechtsprechung zu Recht als lebensfremd bezeichnet. Voraussetzung ist aber, wie bereits gesagt, daß es sich um einen wirklich gefährlichen Angriff handelt.

Nochmals muß dargelegt werden, daß nur die schwächste Verteidigung erlaubt ist, die möglich ist und den Angriff sofort und endgültig abwehrt. D.h. bei einem massiven, unvermuteten und lebensbedrohenden Angriff ist der (sofortige) Schußwaffengebrauch im Regelfall zulässig, handelt es sich jedoch um einen körperlich unterlegenen Angreifer ohne Waffe, ist im Regelfall nur die die Abwehr mit der Hand gestattet.

Teilweise auch politisch diskutiert, aber gesetzlich klar geregelt ist die Frage, ob der Angegriffene, soferne ihm dies möglich und zumutbar ist, die Konfrontation mit dem Angreifer tunlichst zu vermeiden hat oder nicht.

Gerade in diesem Bereich bestehen viele Irrtümer und wird immer wieder auch von Personen gesagt, die es wissen müßten, daß der Angegriffene vorerst die Flucht anzutreten hat.

Dem österreichischen Gesetz ist keine generelle Pflicht zum Ausweichen vor rechtswidrigen Angriffen zu entnehmen. Wer dem Angreifer von vornherein ausweicht, verteidigt sich nicht, sondern verzichtet auf Verteidigung; das ist das gute Recht des Angegriffenen, aber nicht seine Pflicht kraft Gesetz. Eine solche Pflicht widerspräche dem Sinn des Notwehrrechtes, das es erlaubt, sich – wenn auch maßvoll – zu verteidigen, und zwar nicht nur dann, wenn es unumgänglich ist, sondern immer, wenn eine Notwehrsituation vorliegt. Das bedeutet nicht das Gutheißen einer „Totschlägermoral“, die Förderung einer „Wild-West-Manier“, oder das Auffordern zur Selbstjustiz. Denn damit würde das Institut der Notwehr im anderen Sinn verkannt: Notwehr ist nicht Selbstjustiz, sondern Selbstverteidigung im Rahmen der Rechtsordnung. Aber auch stellvertretende Wahrnehmung der Aufgabe der Rechtsbewahrung durch den Einzelnen. Wer in Notwehr handelt, verteidigt nicht nur sich selbst, sondern auch das durch den rechtswidrigen Angriff verletzte Recht an sich.

Das bedeutet jedoch nicht, daß stets von einem „übergesetzlichen Ehrenkodex“, der Flucht in jedem Fall verbieten würde, auszugehen wäre. In bestimmten Fällen ist es sogar mehr als ratsam, dem Angreifer tunlichst auszuweichen und eine Konfrontation zu vermeiden. Durch ein Ausweichen – wo dies möglich ist und keine besonders nachteiligen Folgen zurückbleiben – werden Sie sich möglicherweise Unannehmlichkeiten ersparen, sodaß gut überlegt werden sollte, ob nicht ein Ausweichen zweckmäßiger wäre.

Immer wieder wird auch in den Medien behauptet, daß nur jene Verteidigung angewendet werden darf, die in einem entsprechenden Verhältnis zum Angriff steht: Darf ich bei einem Angriff auf mein Vermögen von beispielsweise € 1.000,00 bereits die lebensbedrohende Schußwaffe einsetzen oder nicht? Eine derartige Verhältnismäßigkeit zwischen dem angegriffenen Rechtsgut und dem durch die Verteidigung verletzten Rechtsgut wird bei der Notwehr – mit einer unten behandelten Ausnahme – nicht gefordert. D.h., wenn die oben dargestellten Voraussetzungen (Angriff auf Körper, Freiheit oder Vermögen) vorliegen, ist jede Verteidigung zulässig, die den Angriff verläßlich abwehrt und das geringste zur Verfügung stehende Mittel darstellt. D.h. bei einem Angriff auf ein Vermögen von € 1.000,00 darf bei einer entsprechenden körperlichen Unterlegenheit auch die Schußwaffe eingesetzt werden, wenn sonst keine anderen gelinderen Mittel zur Verfügung stehen. Ob dies wirklich zweckmäßig ist, ist eine andere Frage, zumal, wie bereits ausgedrückt, nur das geringste zur Verfügung stehende Mittel eingesetzt werden darf und jeder Schußwaffengebrauch gegen Menschen umfangreiche Untersuchungen und damit Unannehmlichkeiten nach sich ziehen wird. Wird nicht das gelindeste Mittel eingesetzt, liegt strafbare Notwehrüberschreitung vor.

Eine Ausnahme gibt es von diesem Grundsatz, bei der sogenannten „Unfugabwehr“. Beispielsweise beim Diebstahl einiger Blumen, eines Bierglases, einer geringen Menge an Bargeld, etc. darf keine unangemessene Beeinträchtigung des Angreifers erfolgen, d.h. ein derartiger Angriff darf nur mit geringen Mitteln, keinesfalls aber mit dem Einsatz einer Schußwaffe abgewehrt werden.

Zusammengefaßt zeigt sich, daß Notwehr und selbst die Verwendung einer Schußwaffe in bestimmten Situationen durchaus legitim ist. Die Schußwaffe darf dann eingesetzt werden, wenn es sich um einen momentanen oder unmittelbar drohenden Angriff gegen die körperliche Integrität, gegen die Freiheit oder gegen das Vermögen handelt. Wichtig ist jedoch, daß nur das geringste zur Verfügung stehende Mittel eingesetzt werden darf, das den Angriff verläßlich, d.h. sofort und endgültig beendet.

Selbstverständlich ist auch die „Nothilfe“ zulässig, diese Nothilfe ist unter den gleichen Voraussetzungen wie die Notwehr rechtens, es handelt sich lediglich nicht um einen Angriff gegen den Verteidiger, sondern um einen Angriff gegen eine dritte Person.

Die Notwehr ist ein ganz entscheidender Punkt in unserer Rechtsordnung: Dort wo Hilfe durch den Staat (Polizei) zu spät käme oder nicht ausreichend wäre, dann ist zur Abwehr eines unmittelbaren Angriffes unter den gesetzlichen Voraussetzungen letztlich der Einsatz jeglichen Mittels rechtmäßig. Dies ist ein ganz entscheidender Punkt einer freien, liberalen Rechtsordnung. Wird die Notwehr beschnitten, werden damit die elementarsten Rechte der Bürger beschnitten.

Dies bedeutet aber absolut nicht, daß man sich quasi absichtlich in eine Notwehrsituation zu bringen hat. In den meisten Fällen ist es sicherlich die weitaus bessere Alternative es zuerst zu versuchen einer möglicherweise gefährlichen Situation auszuweichen und selbst dann, wenn es zu einer gefährlichen Situation kommt, nach Möglichkeit den Rückzug anzutreten. Auch wenn es letztlich zu einer Einstellung des Verfahrens oder zu einem Freispruch kommt, die Mühen und Belastungen sind für den Notwehrausübenden äußerst groß.

DI Mag. Andreas O. Rippel

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