Wehrmachtsabnahmestempel – Eine unendliche Geschichte
Nachdem das Oberlandesgericht Graz den Hausdurchsuchungsbefehl aufgrund eines Wehrmachtsabnahmestempels auf einem Holster für eine Walther Pistole als rechtswidrig aufgehoben hat, versucht nun die Finanzprokuratur als Vertreterin der Republik Österreich zurückzurudern. Die Hausdurchsuchung wäre in durchaus vertretbarer Weise durchgeführt worden.
In den IWÖ-Nachrichten 2/2021, Folge 94 habe ich über das Schicksal eines Sammlers berichtet, der eine gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung durch Spezialkräfte der Polizei sowie ein Strafverfahren wegen Verstoß gegen das Verbotsgesetz erdulden mußte. Strafrechtlicher Vorwurf war, daß der Sammler mehrere Holster für die (Walther) Pistole .38 in Belgien angekauft hat und sich diese Holster schicken hat lassen. Wie viele andere Dinge aus der NS-Zeit (von Pistolen bis Gulaschkanonen) waren diese Holster mit Wehrmachtsabnahmestempel (WaA) versehen. Es ist immer wieder zu betonen, die gegenständlichen Abnahmestempel weisen eine Höhe von ca. 7mm auf und bestehen aus einem Adler, darunter ein ca. 3mm großes Hakenkreuz und darunter der WaA-Schriftzug samt Nummer.
Die Postsendung wurde beschlagnahmt und es wurde von der Staatsanwaltschaft ein Hausdurchsuchungsbefehl beantragt, der vom Landesgericht Klagenfurt auch bereitwillig bewilligt wurde. Der Sammler sei aufgrund des Ankaufes der Holster mit den Wehrmachtsabnahmestempel verdächtig „NS-Propagandamaterial“ anzusammeln und würde sich dadurch im „nationalsozialistischen Sinne“ betätigten. Das Ansammeln von „NS-Propagandamaterial“ (das heiß der Ankauf eines Holsters für die P .38) sei eine „typische NS-Wiederbetätigungshandlung“, die das vollendete Delikt nach § 3g Verbotsgesetz 1947 begründen würde.
Derartige Verstöße gegen das Verbotsgesetz werden mit erheblichen Freiheitsstrafen bestraft, im gegenständlichen Fall liegt der Strafrahmen zwischen ein bis zehn Jahren Freiheitsstrafe. Um einen Vergleich zu haben: Wer beispielsweise schwer betrunken und mit weit überhöhter Geschwindigkeit einen Verkehrsunfall verursacht und dabei beispielsweise einen Autobus in den Straßengraben drängt und dadurch eine „größere Zahl von Menschen“ den Tod findet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Das Delikt nach dem Verbotsgesetz ist also doppelt so schwer bestraft als die Tötung einer großen Anzahl von Menschen in diesem Falle.
Neben dem Ankauf der Holster lagen gegen den Sammler überhaupt keine Verdachtsmomente im Sinne einer Wiederbetätigung vor. Die Polizei führte auch überhaupt keine Untersuchung oder Erhebung durch um derartige Anhaltspunkte allenfalls auffinden zu können. Der Polizei war lediglich bekannt, daß der Betroffene Inhaber einer Waffenbesitzkarte ist und als Sammler historischer Waffen eingetragen ist. Die Waffensammlung des Betroffenen wurde auch in der Vergangenheit von der Polizei im Rahmen der Verläßlichkeitsüberprüfungen kontrolliert und es wurden keine Beanstandungen erhoben.
Der Sammler ist auch strafrechtlich noch nie in Erscheinung getreten, er ist auch nicht bei irgendwelchen einschlägigen Organisationen mit nationalsozialistischem Hintergrund tätig oder bekannt.
Trotz der oben dargestellten Umstände wurde gegen den Sammler ein Strafverfahren wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz eingeleitet und die Hausdurchsuchung mit Spezialkräften der Polizei durchgeführt. Wer einmal bei einer derartigen Hausdurchsuchung anwesend war weiß, daß solche mit Befehlsgewalt durchgeführte Polizeimaßnahmen äußerst unangenehm, eigentlich mehr, nämlich äußerst belastend sind. Auch wenn man nichts zu verbergen hat (oder vielleicht gerade dann) ist es einfach belastend, wenn schwer bewaffnete Polizisten in Einsatzausrüstung mit Stiefel und Schutzweste und dergleichen in der eigenen Wohnung auf nicht gerade behutsame Weise das Unterste nach oben kehren, teilweise dabei Türstöcke und Wandverkleidungen heraus-, respektive herunterreißen (es könnte sich etwas dahinter befinden) und so weiter.
Im gegenständlichen Fall unseres Sammlers wurde im Rahmen der Hausdurchsuchung von der Polizei nicht das geringste belastende Material aufgefunden. Auch sämtliche Waffen waren ordnungsgemäß verwahrt.
Der Gesetzgeber hat in Österreich eine Beschwerde gegen eine Hausdurchsuchung erst nach vollständiger Durchführung derselben vorgesehen. Das heißt, es handelt sich um ein Rechtsmittel „hinterher“. Selbst wenn die Hausdurchsuchung vom zuständigen Oberlandesgericht als rechtswidrig eingestuft wird und der Hausdurchsuchungsbefehl aufgehoben wird, kann sämtliches aufgefundene Material gegen den Beschuldigten verwendet werden. Selbst wenn das Aufgefundene in keinem Zusammenhang mit dem Grund der rechtswidrigen Hausdurchsuchung steht, in einem Strafverfahren kann es ohne weiters und ohne Einschränkungen gegen den Beschuldigten verwendet werden.
Ich habe bereits in den IWÖ-Nachrichten berichtet, daß im gegenständlichen Fall der Sammler Beschwerde gegen den Hausdurchsuchungsbefehl eingebracht hat. Das Oberlandesgericht Graz hat einige Zeit gebraucht, bis eine Entscheidung über dieses Rechtsmittel getroffen wurde. Schlußendlich hat das Rechtsmittelgericht aber festgestellt, daß die Hausdurchsuchung rechtswidrig war. Das Oberlandesgericht Graz führte aus, daß aus seiner Sicht zum Zeitpunkt der Bewilligung kein Verdacht im beschriebenen Sinn (Verstoß gegen das Verbotsgesetz) vorlag, der nur durch eine Hausdurchsuchung geklärt werden hätte können. Implizit wird vom Gericht ausgesprochen, daß der Ankauf von vier Holstern mit Wehrmachtsabnahmestempel ohne sonstige Beweisergebnisse, die in Richtung Verstoß gegen das Verbotsgesetz deuten, noch keinen begründeten Verdacht ergeben, sodaß eine Hausdurchsuchung unzulässig war.
Das österreichische System des Rechtsschutzes im Strafverfahren ist leider sehr schwach ausgeprägt: So kann das jeweilige Oberlandesgericht zwar aussprechen, daß die Hausdurchsuchung rechtswidrig war, Kosten werden aber vom Oberlandesgericht nicht zugesprochen. Das heißt der Betroffene mußte nicht nur eine rechtswidrige Hausdurchsuchung erdulden, sondern bleibt zusätzlich auch noch auf den Kosten „sitzen“. Die Kosten können lediglich im Wege einer Amtshaftungsbeschwerde bei der Finanzprokuratur rückgefordert werden. Im gegenständlichen Fall war im Hinblick auf den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz anzunehmen, daß die Finanzprokuratur die Kosten anerkennt. Weit gefehlt, es geht ja um Waffen und um ein drei Millimeter großes Hakenkreuz auf einem Holster: Hier ist die Situation offensichtlich anders, die Finanzprokuratur hat den geltend gemachten Anspruch rundwegs abgelehnt. Die Finanzprokuratur führt aus, daß die Ablehnung nach eingehenden Sachverhaltserhebungen durch die Finanzprokuratur erfolgt sei. „Der Grund für die Ablehnung der von Ihnen geltend gemachten Amtshaftungsansprüche liegt insbesondere darin, daß die der Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft Klagenfurt zugrundeliegende Rechtsansicht vertretbar und daher nicht haftungsbegründend war.“ Es „konnte durchaus in vertretbarer Weise abgleitet werden, daß sich in der durchsuchten Wohnung des [Betroffenen] Gegenstände mit einschlägigem nationalsozialistischem Bezug befinden.“ (Ablehnungsschreiben der Finanzprokuratur vom 13.06.2022, II/414.631/4).
Was bedeutet diese Ablehnung durch die Finanzprokuratur: Diese Ablehnung bedeutet, daß man die Rechtswidrigkeit der Hausdurchsuchung zu relativeren versucht. Der Hausdurchsuchungsbefehl sei „vertretbar“ gewesen und man gibt damit indirekt von Seiten der Republik Österreich grünes Licht, derartige Hausdurchsuchungen weiterhin durchzuführen. Daß das Dorotheum beispielsweise selbst solche Sachen mit Wehrmachtsabnahmestempel verkauft, daß das österreichische Bundesheer solche Sachen in der Vergangenheit verkauft hat, ist offensichtlich völlig irrelevant. Kauft man einen Gegenstand mit einem Wehrmachtsabnahmestempel, dann ist es offensichtlich eine Frage von Pech und Glück, ob die Polizei einen unsanft für eine Hausdurchsuchung weckt.
Daß das Hausrecht, das heißt die Unversehrtheit der eigenen Wohnung bereits seit der Monarchie in Österreich geschützt ist, daß dieser Schutz des Hausrechts in der Republik Österreich verfassungsrechtlich verankert ist, ist offensichtlich nur von untergeordneter Bedeutung. Ein drei Millimeter großes Hakenkreuz als Teil eines Wehrmachtsabnahmestempels rechtfertigt zumindest „vertretbar“ eine Hausdurchsuchung.
Um diesen völlig unhaltbaren Zustand rechtstaatlich zu bekämpfen, muß nun der nächste Schritt durch Einbringung einer Klage gegen die Republik Österreich gesetzt werden. Wir werden wieder berichten.
DI Mag. Andreas Rippel