Wehrmachtsabnahmestempel – Klage gegen die Republik Österreich eingebracht
Die Geschichte ist lang und unerfreulich: Aufgrund des Ankaufes eines Holsters für die Walther-Pistole P.38 mit dem üblichen Wehrmachtsabnahmestempel (WaA) wurde bei einem behördlicherseits anerkannten Waffensammler eine Hausdurchsuchung durchgeführt und ein Strafverfahren nach dem Verbotsgesetz geführt. Der Strafrahmen des vorgeworfenen Deliktes (Besitz von „Nazi-Devotionalien“ = Wehrmachtsabnahmestempel) nach § 3g Verbotsgesetz 1947 beträgt 1 bis 10 Jahre Freiheitsstrafe. Das heißt die Minimumstrafe ist 1 Jahr, die Maximalstrafe hingegen 10 Jahre. Bei kleinen und eher geringfügigen Verstößen gegen diese Bestimmung verurteilen die Geschworenengerichte in Österreich – sofern es sich um Ersttäter handelt – zu Strafen zwischen 15 und 24 Monaten. Diese Strafen sind alles andere als unerheblich, beispielsweise werden dadurch Beamte sofort ihres Amtes unter Verlust ihrer Pensionsansprüche verlustig.
Im gegenständlichen Fall hatte zwar das Oberlandesgericht Graz die durchgeführte Hausdurchsuchung als unzulässig erklärt, als Vertreterin der Republik Österreich ruderte die Finanzprokuratur aber so weit als möglich zurück und erklärte die Anordnung der Hausdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft und die Bewilligung durch das Landesgericht als „vertretbar“. Damit versucht man die Türe zumindest einen Spalt zu öffnen, um derartige Hausdurchsuchungen in Zukunft weiterhin durchführen zu können.
Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Landesgericht bezeichneten den Wehrmachtsabnahmestempel als Nazi-Devotionalie. Devotionalien sind an und für sich Gegenstände wie Kreuze, Kruzifixe, Rosenkränze, Heiligenfiguren und dergleichen, die der Andacht und der Förderung der Frömmigkeit dienen. Der Begriff wurde verallgemeinert und wird auch im übertragenen Sinn verwendet – unter anderem auch für weltlich verehrte Gegenstände wie Relikte aus der Zeit des Nationalsozialismus (Nazi-Devotionalien).
Was ist der Wehrmachtsabnahmestempel nun eigentlich wirklich: Das Heereswaffenamt war die Zentralstelle für die technische Entwicklung und Fertigung von Waffen, Munition und Gerät des deutschen Heeres. Das Heereswaffenamt hatte verschiedenste Forschungsabteilungen und Amtsgruppen. Eine Aufgabe war dabei die Abnahme der fertigen Waffen, Geräte und Munition. Die Abnahme ist an und für sich eine Rechtshandlung und bezeichnet die Übernahme des Kaufgegenstandes durch den Käufer. Der Wehrmachtsabnahmestempel war einzig und allein eine Bestempelung, die kennzeichnen sollte, daß die Waffe, das Gerät den Kriterien des Heereswaffenamtes entsprach und die Waffe oder der Gegenstand abgenommen wurden. Der Stempel ist also eine Art „TÜV-Zeugnis“.
Mit diesem Kenntnisstand ist es natürlich geradezu absurd von einer Nazi-Devotionalie zu sprechen. Der Wehrmachtsabnahmestempel diente niemals und sollte auch niemals der Verherrlichung des NS-Regimes dienen. Er war auch kein Gegenstand, dem man Ehre erweisen sollte (wie z.B. Hitlerbüsten oder den diversen Flaggen und Emblemen mit Hakenkreuzen und dergleichen). Der Wehrmachtsabnahmestempel sollte auch nicht eine bestimmte NS-Organisation in einem „guten Licht“ darstellen oder für diese werben. In Wahrheit sollte durch die Kennzeichnung mit dem Wehrmachtsabnahmestempel lediglich die technische Tauglichkeit, die Übereinstimmung mit den Anforderungen bestätigt werden. Um noch einen Vergleich zu bemühen, der Wehrmachtsabnahmestempel war so etwas wie das „§ 57a-Pickerl“ bei Kraftfahrzeugen heute in Österreich.
Die Brisanz des nunmehr eingebrachten Klageverfahrens gegen die Republik Österreich ist groß: Würde nun von den Gerichten bestätigt werden, daß der bloße Besitz eines Gegenstandes oder einer Waffe mit Wehrmachtsabnahmestempel tatsächlich vertretbar eine Hausdurchsuchung auslösen kann, dann müßten nicht nur die großen Waffen-Auktionshäuser wie das Dorotheum oder Springer’s Erben „zittern“, sondern jeder Käufer einer mit WaA-Stempel versehen Waffe oder Zubehör.
Die Barbareien des Nationalsozialismus waren unvorstellbar groß, zurecht versucht die Republik Österreich jegliche Förderung dieses verbrecherischen Gedankengutes zu unterbinden. Das Führen von Strafverfahren und die Durchführung von Hausdurchsuchungen gegen Personen, die einen Gegenstand besitzen, der mit einem einige Millimeter großen Reichsadler mit Hakenkreuz als technischer Abnahmestempel versehen ist, ist aber kein taugliches Mittel dieses Ziel zu erreichen, sondern nur ein weit überschießender Eingriff in die Grundrechte der Bürger.
DI Mag. Andreas Rippel
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Foto: © Mag. Eva-Maria Rippel-Held
Detailansicht eines Karabiner 98k der Königlich Norwegischen Marine samt norwegischer Bestempelung KNM.NR35, neuen deutschen Beschußzeichen (nach 1945) und Wehrmachtsabnahmestempel. Norwegen war ein von den Nazis besetztes Land; gestört hat der Wehrmachtsabnahmestempel weder die norwegische Marine noch das deutsche Beschußamt.
Dieser Artikel ist erschienen in den IWÖ-Nachrichten 4/2022, Seite 6f.