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IWÖ – Interessengemeinschaft Liberales Waffenrecht in Österreich

Große Gefahr für Sammler gebannt! Wehrmachtsabnahmestempel rechtfertigt keine Hausdurchsuchung

In den IWÖ-Nachrichten 2/2021, Seiten 7f, habe ich über das Schicksal eines Sammlers berichtet, der eine gerichtlich angeordnete Hausdurchsuchung durch Spezialkräfte der Polizei sowie ein Strafverfahren wegen Verstoß gegen das Verbotsgesetz erdulden mußte.

Dem Sammler wurde vorgeworfen mehrere Holster für die (Walther) Pistole .38 in Belgien angekauft zu haben und sich diese Holster schicken hat lassen. Die Mühlen der Justiz begannen sich heftig zu drehen, weil die Holster auf der Rückseite mit dem bekannten Wehrmachtsabnahmestempel (WaA) versehen waren. Diese Abnahmestempel weisen eine Höhe von ca. sieben Millimeter auf und bestehen aus einem Adler, darunter ein ca. drei Millimeter großes Hakenkreuz und darunter der WaA-Schriftzug samt Nummer.

Die Postsendung wurde beschlagnahmt und es wurde von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt ein Hausdurchsuchungsbefehl beantragt, der vom Landesgericht Klagenfurt auch bewilligt wurde. Der Sammler sei verdächtig „NS-Propagandamaterial“ anzusammeln und würde sich im „nationalsozialistischen Sinne“ betätigen. Das „Ansammeln von NS-Propagandamaterial“ (das heißt gegenständlich der Kauf eines Holsters für die P.38) sei eine „typische NS-Wiederbetätigungshandlung“, die das vollendete Delikt nach § 3g Verbotsgesetz 1947 begründen würde. Verstöße gegen das Verbotsgesetz werden mit erheblichen Freiheitsstrafen bestraft, im gegenständlichen Fall liegt der Strafrahmen dieses Deliktes zwischen ein bis zehn Jahren Freiheitsstrafe.

Neben dem Ankauf der Holster lagen gegen den Sammler überhaupt keine Verdachtsmomente im Sinne einer Wiederbetätigung vor. Der Polizei war bekannt, daß der Betroffene Inhaber einer Waffenbesitzkarte ist und als Sammler historischer Waffen eingetragen ist. Bekannt war weiters, daß der Sammler rund 100 Waffen an seinem Hauptwohnsitz verwahrt, wobei im Rahmen einer waffenrechtlichen Überprüfung festgestellt worden ist, daß die sichere Verwahrung in Bezug auf eine größere Anzahl von Schußwaffen nach dem Gegenstand der Sammlung von historischen Waffen gegeben ist.

Der Sammler ist strafrechtlich noch nie in Erscheinung getreten, er ist auch nicht bei irgendwelchen einschlägigen Organisationen mit nationalsozialistischem Hintergrund tätig oder bekannt.

Trotz der oben dargestellten Gründe wurde gegen den Sammler ein Strafverfahren wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz eingeleitet und die Hausdurchsuchung mit Spezialkräften der Polizei durchgeführt.

In Österreich ist die Rolle der Staatsanwaltschaft im strafrechtlichen Vorverfahren nahezu übermächtig, man kann fast sagen, daß die Staatsanwaltschaft in diesem Stadium des Strafverfahrens Herrin des Prozesses ist. Die Rolle der Richter beschränkt sich lediglich auf gewisse Bewilligungen und nachträgliche Kontrollen.

Bei der Anordnung und Bewilligung einer Hausdurchsuchung ist es so, daß ohne vorherige Kenntnis des Beschuldigten die Hausdurchsuchung durchgeführt wird. Erst nach Durchführung der Hausdurchsuchung besteht für den Beschuldigten die Möglichkeit das Gericht anzurufen, damit die Rechtmäßigkeit der Hausdurchsuchung überprüft wird. Unverständlich und im völligen Gegensatz zum US-amerikanischen System ist es, daß die im Rahmen einer Hausdurchsuchung gemachten Funde auch voll und ohne Einschränkung von der Staatsanwaltschaft verwendet werden dürfen, selbst wenn sich herausstellt und gerichtlich festgestellt wird, daß die Hausdurchsuchung rechtswidrig war.

Im gegenständlichen Falle unseres Sammlers wurde die Hausdurchsuchung von den Spezialkräften der Polizei durchgeführt, aber nicht das geringste belastende Material gefunden. Auch sämtliche Waffen waren ordnungsgemäß verwahrt.

Wie bereits in den IWÖ-Nachrichten berichtet wurde vom Sammler mit Unterstützung der IWÖ Beschwerde gegen den Hausdurchsuchungsbefehl eingebracht. Beschwerde ist der korrekte Name des entsprechenden Rechtsmittels gegen einen Hausdurchsuchungsbefehl, umgangssprachlich könnte man auch von Einspruch oder Berufung sprechen.

In den IWÖ-Nachrichten 4/2021 habe ich berichtet, daß das Oberlandesgericht Graz als Rechtsmittelgericht leider nicht rasch entschieden hat und damit große Verunsicherung ausgelöst hat.

Im gegenständlichen Fall könnte man sagen, gut Ding braucht Weile, nunmehr hat das Oberlandesgericht Graz zu 8 Bs 154/21i, den Beschluß gefaßt, daß in Stattgebung der Beschwerde festgestellt wird, daß der angefochtene Beschluß (Hausdurchsuchungsbefehl) das Gesetz verletzt. Es wurde sohin festgestellt, daß die Hausdurchsuchung rechtswidrig war.

In seinem Beschluß führte das OLG Graz aus, daß die gerichtliche Bewilligung der Durchsuchung von durch das Hausrecht geschützten Orten nur einen begründeten und keinen dringenden Verdacht erfordert, daß sich die gesuchten Gegenstände dort befinden. Dieser Verdacht muß vor dem Eingriff bestimmt und hinreichend sein. Die Begründung für den Verdacht muß rational nachvollziehbar sein und es müssen Tatsachen vorliegen, aus denen vertretbar geschlossen werden kann, daß sich der gesuchte Gegenstand in den betroffenen Räumen befindet. Notwendig ist zudem ein „konkreter Verdacht“ insofern, als aufgrund bestimmter Tatsachen (und nicht bloß vager Mutmaßungen) der Verdacht einer Straftat mit gutem Grund, also in vertretbarer Weise abgeleitet werden kann.

In der Folge gibt das OLG Graz den Stand des Aktes wieder, wonach der unbescholtene Sammler vier Waffenholster „mit NS-Bezug (Reichsadler und Hakenkreuzgravur, Seriennummer)“ bestellt hätte. Ferner war polizeibekannt, daß der Betroffene im Zentralen Waffenregister als Sammler historischer Waffen eingetragen war und rund 94 Waffen an seinem Hauptwohnsitz verwahrt. Im Zuge einer waffenrechtlichen Überprüfung konnte festgestellt werden, daß die sichere Verwahrung in Bezug auf eine größere Anzahl von Schußwaffen nach dem Gegenstand der Sammlung von historischen Waffen gegeben ist. Das OLG Graz wies auch darauf hin, daß andere Beweisergebnisse zum Zeitpunkt der Bewilligung der Hausdurchsuchung nicht vorlagen. Schlußendlich schließt das OLG Graz, daß aus seiner beweiswürdigender Sicht zum Zeitpunkt der Bewilligung kein Verdacht im beschriebenen Sinn vorlag, der nur durch eine Hausdurchsuchung geklärt werden hätte können.

Grob zusammengefaßt könnte man diese Entscheidung so interpretieren, daß zwar in Österreich das Hausrecht verfassungsrechtlich geschützt ist, dennoch eine Hausdurchsuchung relativ leicht nur bei einem begründeten Verdacht bewilligt werden darf. Der Ankauf von vier Holstern mit Wehrmachtsabnahmestempel ohne sonstige Beweisergebnisse, die in Richtung Verstoß gegen das Verbotsgesetz deuten, ergibt noch keinen begründeten Verdacht, sodaß eine Hausdurchsuchung unzulässig ist.

Sammler können daher aufatmen: Der dokumentierte Ankauf von Gegenständen mit WaA-Stempel alleine ist nicht genug, um einen Verdacht Richtung Verstoß gegen das Verbotsgesetz zu begründen. Sammler sind daher nach dieser Entscheidung nicht gezwungen ihre Sammlung dadurch zu zerstören oder zu beeinträchtigen, daß Wehrmachtsabnahmestempel herausgefräst oder sonstwie entfernt werden müssen. Das ist auch gut so, weil die Stempelung von Waffen, insbesondere auch die Wehrmachtsabnahmestempel, wertvolle Rückschlüsse auf die Produktion und die Verwendung bieten. Diese Rückschlüsse sind für ernsthafte Waffensammler von höchstem Interesse und es ist beispielsweise eine P.38 nicht identisch einer anderen P.38: Handelt es sich um eine sorgfältig gearbeitete Pistole der frühen Fertigung, oder handelt es sich um eine grobe Variante aus der letzten Kriegsfertigung? Welche Schritte wurden gesetzt, um Produktionsvereinfachungen durchzuführen, etc.?

Die gegenständliche Entscheidung des OLG Graz läßt es wohl zu, daß auch Waffen, Waffenzubehör und sonstige Gegenstände mit Wehrmachtsabnahmestempel gesammelt werden dürfen. Zu hoffen ist, daß dieser Beschluß des OLG Graz eine möglichst breite Kenntnis bei den Staatsanwaltschaften und den Landesgerichten erlangt. Sonst wird es an anderer Stelle wieder passieren, daß eine Staatsanwaltschaft wegen solcher Gründe eine Hausdurchsuchung beantragt und ein Gericht diese bewilligt.

So erfreulich die gegenständliche Entscheidung des Oberlandesgerichtes Graz ist, so muß abschließend betont werden, daß sie keinesfalls ein Freibrief zur Ansammlung von NS-Devotionalien ist. Die Grenzen des Zulässigen sind bei Gegenständen, die das Hakenkreuz zeigen oder der nationalsozialistischen Zeit zugeordnet werden, sehr eng. Es ist nicht nur der Bierkrug mit Hitler-Konterfei im Küchenkasten absolut tabu, nach der Judikatur kann selbst die für Besucher sichtbare Verwahrung von Ordenszeichen des Opas aus der nationalsozialistischen Zeit in einer Wohnung einen Verstoß gegen das Verbotsgesetz begründen. Jede für Dritte gegebene Sichtbarkeit (selbst für Ehegatten), insbesondere außerhalb einer ernsthaften („Museums-“)Sammlung kann bereits problematisch sein.

DI Mag. Andreas Rippel

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